Dienstag, 27. September 2011

Mein spontaner Entschluss aber doch geplanter Weg zum ersten Marathon

Die Vorbereitung

Die ganze Geschichte beginnt am 31.10.2010, die ASICS Grand 10 hatte ich vor drei Wochen mit einer 46er Zeit abgeschlossen und mir kommt der Gedanke, dass man doch einmal mehr als nur 10 km laufen könnte. Ich laufe eine 15,7 km Runde entlang der Rummelsburger Bucht, Stralau, Treptower Park und Plänterwald. Das Training verläuft so gut, dass ich mich noch am selben Abend für den Berliner Halbmarathon im April 2011 in gut 5 Monaten anmelde. Zudem wird diese Runde in kleinen Variationen ab jetzt meine neue Hausstrecke.

Den Winter über betreibe ich eigentliche keine richtige Vorbereitung für den Halbmarathon gemäß einem Trainingsplan, laufe im Schnitt 15 km die Woche, bei Trainingseinheiten zwischen 10 bis 20 km. Das Halbmarathon Wochenende ist da, es ist der erste richtig warme Tag in Berlin nach dem Winter, ich gehe die ersten 10 km etwas übermotoviert und zu schnell an (51:12) und muss am Ende ziemlich zurückstecken. Das Ziel erreiche in 1:53:21. Trotzdem bin ich sehr zufrieden die Distanz geschafft zu haben. Aber die Teilnahme an einem Marathon rückt für mich nach dieser Erfahrung erst einmal in weite Ferne, nicht vor 2012 sage ich mir.

Nach dem Halbmarathon finde ich über DailyMile eine Berliner Laufgruppe, die sich jeden Sonntag zu einem 20 km im Treptower Park oder Grunewald verabreden. Ich frage spontan an, ob ich dazu stoßen kann und werde herzlichst aufgenommen. Den Kern der Gruppe bilden Alex, Michael, Jana, Andreas und ich. Von da an treffen wir uns regelmäßig, mindestens Sonntags zu gemeinsamen Läufen. Motiviert durch die Gruppendynamik, Challenges und Kommentare auf DailyMile und die Erfahrungen vom Halbmarathon steigere ich von nun meine Trainingsdistanzen und -einheiten. Der Schnitt liegt ab Mai bei ~60 km / Woche.

wöchentliches Trainings-Pensum vom Mai bis zum Marathon 

Neben den Trainingseinheiten nehme ich an weiteren Wettkämpfen über den gesamten Sommer hin teil:
Gerade die Halbmarathons verliefen nun viel besser und schneller als der erste im April. Ich konnte konstant hohes Tempo über die gesamte Distanz laufen und hatte an den Folgetagen keine Schmerzen in der Oberschenkelmuskulatur mehr wie noch im April.

Dazu kamen einige >30k Trainingseinheiten, eine noch zweigeteilte über 38 km im Juli und eine 34 km Einheit mit Alex und Michael zwei Wochen vor dem Marathon Sonntag. Diese gab letztendlich die Entscheidung, das Angebot von Alex anzunehmen und seinen Startplatz beim Marathon zu übernehmen.

Dazu holte ich mir auch noch den Rat von zwei bereits erfolgreichen Marathon Teilnehmern, Tony und Jörn, die mich wegen meines Trainingspensums ebenfalls in meiner Entscheidung bestätigten. Und auch die überall erhältlichen Trainingspläne für eine 4:00:00er oder 3:45:00er Zielzeit zeigten mir, dass ich die dort genanten Einheiten bereits übererfüllt hatte. Es stand einer aussichtsreichen Teilnahme also nicht mehr im Weg. Es folgte noch eine weitere 30k Trainingsheit 10 Tage vor dem Marathon Sonntag und ab dann nur noch zwei ruhige 10k Einheiten.

Der Sonntag naht und es stellt sich die Frage, mit welchen Schuhen soll ich laufen? Es stehen zur Wahl meine eingelaufenen Asics Gel Nimbus, auf der Innenseite schon ziemlich abgelaufen oder meine neuen Mizuno Inspire mit Pronations Stütze, mit denen ich aber erst 40 km gelaufen bin. Meine Mizuno Precision scheiden wegen der geringeren Dämpfung aus. Justus favorisiert die neuen Mizunos, aber ich entscheide mich für die alten Asics. Nach dem Marathon werden die aber aussortiert, obwohl ich diese aber auch erst im Juni gekauft hatte.

Der Marathon Sonntag

Ich gebe am Vortag meine beste Halbmarathon Zeit in einen dieser Zielrechner ein und erhalte die Info, dass eine 3:18:00 bei optimaler Vorbereitung möglich wäre (4:47er Pace). Das kommt mir aber etwas utopisch vor und ich plane, wie in meinen >30k Trainingseinheiten in einer 5:00er Pace zu laufen. Das lässt sich unterwegs auch leichter rechnen und mein Wunschziel ist nun die 3:30:00.

Ich stehe im Startbereich (Block F) kurz vor dem 4:00:00 Pacemaker, die 3:45:00 und 3:30:00 weit vor mir. Da ich mir aber vorgenommen hatte, die erste Hälfte etwas ruhiger anzugehen und ein paar Körner für die zweite Hälfte zu sparen, stört mich das nicht weiter.

Der Startschuss der zweiten Welle fällt und es geht los. Der erste Kilometer ist erst nach 6 Minuten passiert, es ist einfach zu voll für ein schnelleres Tempo. Ab km 3 merke ich ein leichtes Ziehen im rechten Oberschenkel und ich denke mir, na das fängt ja gut an. Ich versuche meinen Laufstil etwas umzustellen, um den Oberschenkel etwas zu entlasten.

Km 10 erreiche ich in 53:03, laufe mittlerweile eine 5:20er Pace. Beim Halbmarathon im April hatte ich die 10 km bereits nach 51:12 passiert. Ab km 10 kann ich das Tempo weiter anziehen, die Beine fühlen sich jetzt besser an, die Laufumstellung hat scheinbar geholfen. Laufe jetzt eine 5:15er Pace.

Bei km 12 am Strausberger Platz erwarte ich meinen mtc Kollegen Manfred am Streckenrand. Er sieht mich nicht vor lauter Läufern, ein kurzer Ruf und Manfred kann ein paar schöne Aufnahmen schießen. Vielen Dank für diese Erinnerung. Den 3:45:00 Pacemaker überhole ich bei km 13 und schließlich auch Achim Achilles bei km 18 auf der Gneisenaustr.


Strausberger Platz bei km 12 
Hinter den Yorkbrücken ist die Halbmarathon Distanz in 1:51:04 geschafft (HM Zeit im April: 1:53:21), und in diesem Augenblick ist Patrick Makau gerade in neuer Weltrekordzeit von 2:03:38 ins Ziel eingelaufen. Bis km 25 kann ich die 5:15er Pace halten, aber nun macht sich mein rechter Oberschenkel doch wieder bemerkbar, erst in Höhe der Hüfte, bald über die gesamte Länge, und kurze Zeit später kommt auch der Linke dazu.

Ich drossele mein Tempo auf eine 5:20er Pace und bei km 27 kommt die Gel-Station in Sicht. Habe das Zeug noch nie probiert aber mal sehen, ob es etwas hilft. Nehme mir zwei Gel-Tüten, drücke mir eine in den Mund und spare die andere für später. Dieses Gel ist einfach nur süß und klebt ziemlich, hoffentlich kommt bald die nächste Wasserstation, um das Zeug runterzuspülen. Ab km 30 geht es dann aber wieder besser, entweder das Gel hat wirklich geholfen oder es war nur mental. Jedenfalls laufe ich jetzt zum ersten Mal knapp oberhalb meiner eigentlichen Ziel-Pace von 5:00.

Ich kann trotz einem stetigen Ziehen im Oberschenkel mein Tempo halten, die Schmerzen werden nicht schlimmer. Es geht weiter über Kudamm und Tauentzien vorbei an vielen langsameren und bereits gehenden Läufern in einer 5:05er Pace. Frage mich, wie viele schlechtere Läufer eigentlich im falschen Startblock vor mir standen.

Ich biege bei km 37 in die Potsdamer Str. ein, jetzt stehen die Zuschauer zu beiden sehr dicht und bilden ein Spalier, so ähnlich muss sich der Anstieg nach L’Alpe d’Huez anfühlen. Kurz vor km 38 ist die letzte Verpflegungsstation erreicht, noch einmal eine Banane genommen und weiter. Kurz nach der Verpflegungsstation wollte unsere Laufgruppe stehen und mir die letzte Motivation mitgeben. Ich sehe Jana, Andreas und Alex und werde von ihnen herzlichst angefeuert. Alex begleitet mich laufend über einige Meter und führt ein kleines Interview mit seiner Kamera. Das ist die beste Erinnerung an diesen Lauf, danke Alex!
http://youtu.be/OtCntZFgYxk

Die gesamte Strecke bleibt bis zum Ende sehr voll, ich muss mir meinen Weg zwischen den langsameren Läufen hindurch bahnen. Ich laufe fiel am Rand, teilweise abseits der Strecke oder schiebe meinen Arm freundlich zwischen zwei Läufern hindurch, begleitet von einem freundlichen "sorry". Nun kommt das nach meinem Empfinden schlimmste Stück der gesamten Strecke, die endlose Leipziger Straße ab dem Potsdamer Platz. Ich denke nur, dass muss ich alles wieder Richtung Brandenburger Tor zurück laufen. Endlich kommt der erlösenden Abzweig zum Gendarmen Markt. Die Rechts-Links-Kombinationen über Gendarmen Markt, Französische und Friedrichstraße vergehen sehr schnell, noch einmal unter der Feuerwehr-Dusche hindurch und mit dem Einbiegen "unter die Linden" ist km 41 erreicht.

Ich versuche noch einmal zu beschleunigen und laufe jetzt eine 5:00er Pace, das Brandenburger Tor ist in Sicht. Ab dem Brandenburger Tor ist nur noch Genießen angesagt, mit gehobenen Armen laufe ich an den Tribünen vorbei ins Ziel. Ich habe es geschafft, bin überglücklich, überwältigt, die Tränen stehen mir in den Augen vor Freude. Meine Uhr stoppt bei 3:40:01.

Zieleinlauf in 03:39:57 

Vor der Medaillen Ausgabe kommt es zu einem kleinen Stau, ich kann kaum still stehen, meine Beine wollen eigentlich immer noch laufen, ich versuche etwas auf der Stelle zu laufen. Ein älterer Herr hält diesen Stillstand auch nicht aus und verläßt die Absperrung durch den Topläufer-Bereich. Mein erster Gedanke: das gibt doch bald einen Rückstau bis zur Ziellinie, die Frau auf dem Hochsitz von der Organisation scheint auch schon nervös zu werden und meldet irgendwas per Funk an ihre Zentrale. Egal, habe meine Medaille bekommen und jetzt ab in die Verpflegungszone, Waschen, Bananen, Bier, Ausruhen, Umziehen, Ergebnis auf Facebook posten, kurz mit Alex telefonieren, und dann langsam, sehr langsam Richtung Hauptbahnhof schleichen. Zuvor noch ein drittes Erdinger für den Rückweg abgeholt.

Mein Resümee:

  • Für alle Läufer, die bisher keinen Marathon gelaufen sind: die Gefühle nach dem Zieleinlauf seines ersten Marathons sind überwältigend. Ich beneide nun alle Läufer, die dieses wundervolle Erlebnis noch vor sich haben. Das kann man nur einmal in seinem Leben erfahren.
  • Viele Abschnitte bin ich mehr in Trance gelaufen. Als ich in den nächsten Tagen wieder an einigen Streckenpunkten mit dem Fahrrad vorbei komme, kann ich mich nicht immer erinnern, wie ich hier am Sonntag vorbei gekommen bin. Nur die Punkte, an denen irgendetwas passiert ist, sind im Gedächtnis geblieben.
  • Bei meinem nächsten Marathon muss ich direkt beim dem 3:30:00er Pacemaker stehen ;-)

überglücklich ... 

Meine nächsten Ziele:

  • 10 km unter 40:00
  • Halbmarathon unter 1:30:00
  • Marathon unter 3:30:00
  • ein weiterer Marathon vor Berlin 2012

Platzierung / Zeit

Platz (M/W):7640
Zielzeit (Netto):03:39:57
1. Hälfte:01:51:04
2: Hälfte:01:48:53
Pace:05:12

Splits

SplitZeitPace
5 km00:26:2105:17
10 km00:53:0305:21
15 km01:19:2805:18
20 km01:45:3005:13
Halb01:51:0405:05
25 km02:11:3005:15
30 km02:38:0705:20
35 km-~05:05
40 km03:29:01~05:05
Finish03:39:5705:00

Mein Dank gilt:

  • meiner Familie für die Unterstützung und das Verständis für die ganzen Trainingseinheiten
  • Justus für die Begleitung auf dem Fahrrad bei so manchen Trainingseinheiten und die Hilfe bei der Auswahl der richtigen Wettkampfschuhe
  • Alexander Glantz für die Überlassung seines Startplatzes
  • unserer Laufgruppe mit Jana, Andreas K., Alex, Micha, Matthias, Andreas C., Jenny und Marko für die gemeinsamen Wettkämpfe und Trainingseinheiten
  • allen Unterstützern und Motivatoren auf DailyMile und Facebook

6 Kommentare:

  1. Eine schöne Zusammenfassung. Und so fröhlich beim Marathon, unglaublich! Aber bei so einer guten Vorbereitung kein Wunder!
    Dann mal willkommen in der Blogfamilie und viel Spaß!

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  2. Mauerweg Stafette

    Ein Film von Gerd Conradt

    Premiere Filmfestival „achtung berlin“

    Do. 19. April 2012, 17.47 Kino Babylon 2
    Sa. 21. April 2012, 15.45 Kino Babylon 2

    Rosa-Luxemburg-Str. 30, 10178 BERLIN

    Im Film „Mauerweg Stafette“ laufen, rudern, reiten und scaten 100 Menschen eine Stafette mit der Berlinfahne in der Hand auf dem ehemaligen Todesstreifen. Eine Kamera fährt vorweg. Sie zeigt unterschiedlichen Stadtlandschaften und die Menschen von Berlin – Geschichte wird sichtbar.

    Kamera: Frank Gutsche, Schnitt: Henning Groß, Musik: Schmitz & Mödersheim,
    Grafik: Mieke Ulfig, Produktion: Daniela Schulz, Länge: 88 Minuten.

    Eintritt 4€, DVD 10€

    in Zusammenarbeit mit Kulturprojekte Berlin, Medienboard Berlin-Brandenburg

    © kinoglas-films
    2012

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  3. ich würde gerne nicht als anonym schreiben, nur wie mache ich das?
    gerd conradt
    film MAUERWEG STAFETTE

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    1. Hallo Gerd von der LG Mauerweg,
      bei 'Antwort als' einfach 'Name/URL' auswählen,
      der Hinweis auf eure Film-Premiere wird auch gerade in meinem Blogroll gelistet ;-)
      VG, Gerald.

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  4. Hallo Gerd,
    dein Bereicht ist grandios - vieles kann ich total nachfühlen. Herzlichen Glückwunsch zu deinem tollen Ergebnis! Du warst soooo schnell - beneidenswert :-)
    Weitere Gemeinsamkeiten: Start in Block F & Oberschenkelschmerzen
    Ich wünsche dir ganz viele weitere tolle Lauferlebnisse und bin gespannt, was du so zukünftig erreichst.
    Liebe Grüße
    Grit

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